Neue Burgen braucht das Land!
Alle kleinen Jungs wünschen sich eine Burg. Sagt der Papa.
Alle großen auch. Sagt die Mama.
Ich glaube, dass alle Kinder eine Burg brauchen. Und die Erwachsenen auch.
Weil, du musst dir überlegen, was eine Burg eigentlich ist. Der Papa hat mir das erklärt. Wenn die Zeiten schwierig sind, dann bauen die Leute Burgen. Damit sie drinnen sicher sind. Da sind dann draußen irgendwelche Raubritter oder die Türken oder Seeräuber, die sich verfahren haben, oder ein böser Steuereintreiber oder marodierende Soldaten (ich weißt nicht, was marodieren heißt, aber gut klingt es nicht) und die müssen alle draußen bleiben. Drinnen sind nur Leute, die sich mögen und in Frieden leben wollen. Das nennt man dann Burgfrieden.
Und so einen Burgfrieden haben unsere Eltern gegründet. Das heißt, dass sie mit all uns Kindern zusammen gezogen sind. Jetzt braucht niemand mehr ein Auto, wenn man sich besuchen will. An den meisten Abenden essen wir sogar alle zusammen, was immer ziemlich lustig ist. (Aber auch laut, sagt mein Papa.)
Am liebsten hätten die Papas so eine richtige alte Burg gehabt. Und wir Kinder auch. Der Sieben wollte eine mit echtem Gespenst. Und Katharina und Emma und ich hätten uns als Burgfräulein verkleidet. Die Katharina ist meine beste Freundin und die Emma mag ich auch. Die anderen Kinder sind nicht so wichtig, weil sie noch so klein sind. Oder halt bloss Jungs.
Das mit der richtigen Burg wäre so toll gewesen. Aber die Mamas haben gesagt, dass die Papas wohl einen Vogel haben.
Das hat aber gar nicht gestimmt. Weil wir nämlich erst jetzt Vögel haben. Und zwar Hühner. Die wohnen in so einen Haus, das man rumfahren kann. Da können sie nicht weglaufen, aber sie picken jeden Tag an einer anderen Stelle. Katharina und ich sammeln jeden Tag die Eier und bringen sie der Tante Miriam. Die Tante Miriam ist der Chef von der Küche und ich mag sie von allen Tanten am liebsten. Weil sie so gut kochen kann und weil sie von allen Eltern am wenigsten verrückt ist. Also man versteht halt immer, was sie sagt. Und ich glaub, sie mag mich auch. Weil ich ein Mädchen bin und sie nur vier Jungs hat. Das ist echt Pech.
Außerdem ist die Miriam die Mama vom Sieben. Und weil ich den Sieben mal heiraten werde, wird sie dann meine Schwiegermutter. Da ist es doch gut, dass wir uns schon jetzt mögen.
Früher wollte ich ja mal den Papa heiraten, weil er der klügste Mann der ganzen Welt ist. Aber dann hat die Mama gesagt, dass der Papa schon verheiratet ist. Das hat mich total gewundert, dass er mir das nicht gesagt hat. „Tja“, hat die Mama gesagt, „Da siehst du mal, wie Männer sind.“
Aber ich glaub nicht, dass der Papa das mit Absicht vergessen hat. Und es ist ja auch egal, weil ich ja eh den Sieben heirate und der ist auch ziemlich klug.
Und überhaupt will ich dir ja hier was von unserer Burg erzählen.
Also der Mann von der Bank hat auch gesagt, dass die Papas einen Vogel haben.
Aber der Papa von der Katharina macht irgendwas mit Geld und Steuern und er hatte da eine Idee. Da haben dann alle gemeinsam eine Firma gegründet. Die heißt Familienbetrieb GmbH. Was ja schon ein ziemlich toller Name ist.
Die Firma hat dann unsere Burg gekauft und das macht dann ganz viel Sinn, weil die meisten Eltern auch da ein Büro haben. Sagt der Papa von der Katharina.
Aber eine echte Burg ist es trotzdem nicht. Es ist mehr ein alter Bauernhof. Aber schon wie eine Burg, weil auf allen vier Seiten ein Haus steht und in der Mitte ein Hof ist.
Das Wichtigste ist sowieso, dass man mit Leuten wohnt, die man mag.
Darum wohnen wir jetzt im Schweinestall.
Weil jede Familie in einem Teil vom Hof wohnt und wir am wenigstens Platz brauchen. Und das kleinste Haus ist der Schweinestall. Aber da haben schon lange keine Schweine mehr gewohnt, darum riecht man das nicht.
„Und selbst wenn“, hat die Mama gesagt „würde das jetzt auch keinen Unterschied mehr machen.“
Und dann sind wir eingezogen.